Wer abwechslungsreiche Strände, wilde Wälder, aufregende Steilküsten, verlassene Landstraßen mag und ausserdem kurvenfest ist, der muss einfach einen Trip in den
Gargano einplanen. Auf meinen Touren durch Italien habe ich die Gegend rund um die beiden Küstenstädtchen Peschici und Vieste zweimal als mehrtägigen Zwischenstopp gewählt, bevor es weiter in den
Süden von Apulien ging.
Einfach, lässig und naturverbunden geht es hier zu. Auf dem Sporn Italiens scheint die Zeit langsamer, gemächlicher zu ticken. Im Frühjahr und Herbst ist die Halbinsel ideal zum Wandern und im Sommer laden Sandstrände und Buchten entlang der ganzen Küste zum Sonnen, Baden undTretboot fahren ein. Sehenswürdigkeiten mit Weltruhm gibt es in dieser Gegend Italiens nicht zu entdecken. Stattdessen überrascht der Gargano mit zahlreichen kleinen Schätzen. Bevor ich von meinen Reise-Erfahrungen und Sehenswürdigkeiten im Gargano berichte, habe ich einen Übernachtungstipp für Euch:
Während meiner Touren durch Italien, steige ich gerne in sogenannten Agriturismi ab. Die zu Ferienunterkünften um- und ausgebauten Bauernhöfe oder Weingüter verfügen über reichlich individuellen Charme und sorgen für direkten Kontakt zu Einheimischen. Was den Komfort angeht, da muss man sich nicht einschränken. Agriturismi stehen in diversen Ausführungen und Preisklassen zur Auswahl.
Im Gargano fiel meine Wahl auf das Posta Postarella, ein Weingut oberhalb von Vieste. Neben klassischen Zimmern im Haupthaus vermietet die Besitzer-Familie Appartments inkl. Küchenzeile und kleiner Terrasse mit Blick auf die grünen Hügel des Gargano. Das Frühstück wird am großzügigen Pool serviert, ein Restaurant ist in diesem Falle nicht vor Ort. Dafür kann man in der Cantina hervorragende Weine erwerben, die mir besonders gut zum Sonnenuntergang auf der Terrasse unseres Appartments geschmeckt haben. Die Anlage ist sehr gepflegt, herrlich grün und bietet je nach Position verlockende Blicke auf das nahe Meer. Außerdem ist die Lage hervorragend. Man ist schnell in den Küstenstädtchen Vieste oder Peschici, das Besucherzentrum des Foresta Umbra liegt quasi um die Ecke und die Auswahl an tollen Stränden ist riesig.
Für ein paar Kilometer Luftlinie auf den verschlungenen, oft schmalen Straßen, braucht man Zeit und einen kurvenfesten Magen. Wer über beides verfügt darf den Ausblick auf endloses Meer, tiefgrüne wilde Wälder und steile Klippen genießen. Eine der schönsten Strecken führt sicherlich von den Küstenorten Peschici über Vieste bis nach Mattinata. Für die ungefähr 90 km lange Strecke sollte man mindestens 2,5 Stunden (zzgl. ausreichend Zeit für kleine Stops am Wegesrand zur Bewunderung der wunderschönen Buchten) einkalkulieren. Am Wochenende bereitet die Tour nicht viel Spaß, weil sich ganze Kolonnen von Strandhungrigen aus der Umgebung über die Serpentinen schlängeln. Ein Ausflug entlang der Küste in Richtung Norden bietet auch Sehenswertes wie zum Beispiel die beiden Lagunen-Seen Lago di Varano und Lago di Lèsina.
Mit seinen über 14.000 Einwohnern ist Vieste die größte Stadt im Gargano. Die weisse Altstadt voller kleiner Geschäfte, unzähliger Restaurants und enger Gassen ragt malerisch auf einem Felsen mitten ins Meer hinein. Auf der Spitze der Felsformation erhebt sich ein Castello, das leider nicht zu besichtigen ist. Von hier aus hat man allerdings einen tollen Blick auf den Stadtstrand, auf dem der Pizzomuno in die Höhe ragt. Der weiße Monolith ist 28 m hoch und das Symbol von Vieste.
Mir gefällt Vieste besonders in den Abendstunden, wenn es von Touristen und Einheimischen geflutet wird, sich die reichlich vorhandenen Pizzerien füllen und die Schlangen in den vielen Eisdielen immer länger werden. Nach einem Spaziergang durch die erhabene Altstadt lohnt sich ein Abstecher an den Lungomare, ganz unahbhängig von der Tageszeit. Von hier hat man einen guten Blick auf den Leuchtturm der auf einer kleinen Insel vor Vieste steht.
Kulinarischer Hinweis: Ich bin in einem Restaurant gelandet, das ich leider nicht empfehlen kann. Der Ausblick aufs Meer und die Altstadt ist im "Guarda che luna" tatsächlich atemberaubend, tröstet allerdings nicht über die lieblose Küche und den hektischen Service hinweg. Also lieber den Ausblick auf die Altstadt genießen und dann geht es für Fischliebhaber rüber zum Hafen in die "Pescheria Adriatica", Via Ferdinando Magellano. Hier werden in sehr ungezwungenem Ambiente hervorragender Fisch und Meerestiere serviert.
Malerische Buchten gibt es im Gargano reichlich zu entdecken. Mein Lieblingsstrand liegt in der Nähe von Peschici. Allein die Anfahrt bis zum Spiaggia di Zaiana über einen sehr schmalen Weg ist ein Erlebnis. Ich bin immer wieder hin und her gerissen zwischen der tiefen Bewunderung für den wahnsinnigen Ausblick aufs Meer und der tiefen Sorge um Gegenverkehr. Bisher sind wir jedoch noch nie in die Verlegenheit gekommen, den teils abschüssigen Weg wieder rückwärts fahren zu müssen. Der Parkplatz liegt an einer hohen Klippe. Das Einparken bis knapp an den Klippenrand ist nichts für schwache Nerven und so halte ich es wie ein Großteil der Beifahrer: Ich steige aus und schaue einfach nicht hin, wie mein Göttergatte von einem einheimischen Parkwächter eingewiesen wird. Danach kann dann endlich das absolute Entspannungs-Programm folgen.
Über unendlich viele Treppenstufen geht es hinunter in die Bucht. Der kleine Sandstrand dort unten ist zur Hälfte das Reich eines Strandliegen-Vermieters, der auch der Inhaber der Bar und des Restaurants ist, das in eine Grotte der Felswand gehauen wurde. Wer sich keine bequeme Liege samt Schirm mieten möchte, lässt sich einfach im freien Strandbereich nieder. Ganz egal wo man liegt, die Bucht ist ein herrlicher Urlaubs-Mikrokosmos, in dem man ganz abgeschieden von der Rest der Welt, baden, hin und her spazieren, Tretboot oder Kanu fahren, Espresso trinken, Spaghetti alle Vongole essen, Eis schlecken, lesen und sich sonnen kann.
Peschici ist eines dieser typisch süditalienischen Küstenstädtchen, die nichts, aber auch garnichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Ausnahme von der Regel ist natürlich der Lottogewinn aus dem Jahr 1998. Als damals 100 von insgesamt 5000 Einwohner aus Peschici mit einem Gemeinschaftslos über 60 Millionen damals Deutsche Mark gewannen. Die hohe Millionärsdichte ist Peschici bei einem Spaziergang durch die kleine Altstadt nicht anzumerken. Hier geht es in jeder Hinsicht entspannt zu. Besonders beliebt sind die Sandstrände der Stadt. Einen guten Blick auf die Badebuchten genießt man von dem mittelalterlichen Kastell aus, das auf einem Felsen thront. Aus dem kleinen Hafen darunter starten Fähren (keine Autos) zu den Isole Trémiti. Die Überfahrt zu der wunderschönen Inselgruppe dauert ungefähr 2 Stunden.
Auf knapp 800 Metern Höhe liegt das Städtchen Monte Sant´Angelo und gewährt bei klarer Sicht einen weiten Blick über Apulien. Die meisten Besucher kommen allerdings nicht wegen der Aussicht , sondern sie pilgern zu einer Grotte, in der der Erzengel Michael im 5. Jhd. erschienen sein soll. Man muss dieser Geschichte übrigens keinen Glauben schenken, um Gefallen an der Grottenkirche San Michele zu finden.
Erst geht es über einige Treppen in die Tiefe und dann steht man tatsächlich mitten in einem höhlenartigen Gotteshaus. Ich hatte das Glück mitten in eine Messe zu geraten, die von einem jugendlichen Priester gehalten wurde. Er sah nicht nur aus wie Jesus, sondern sprach auch so, wie ich es zumindest von Jesus erwarten würde. Ruhig und leise, aber laut genug damit jeder in der proppenvollen und mucksmäuschenstillen Kirche ihn hören konnte. Ich habe schon so manche Andacht und Morgenmesse als interessierte Protestantin im imposanten Petersdom verfolgt. Keine von denen konnte es atmosphärisch mit den 10 Minuten in dieser kleinen intimen Höhle samt Jesus-Double und inbrünstig betenden Pilgern aufnehmen!
Einen Besuch ist auch das gut erhaltene Kastell in Monte Sant`Angelo aus dem 9. Jahrhundert wert. Es bietet geniale Blicke in die Landschaft und ausreichend Möglichkeiten über Zinnen, Türme, Tunnel zu streifen.
Die kleine Altstadt lädt zum Bummeln, Kaffee-Trinken und zum Erwerb von diversen Touristen-Devotionalien ein.
Die "kulinarische" Spezialität ostie ripiene (gefüllte Hostien) kann ich allerdings nicht wirklich empfehlen. Zwischen zwei Hostien werden ganze Mandeln mit Honig verkleistert und ergeben später im Mund eine etwas staubige Angelegenheit. Wer Monte Sant´Angelo von Vieste aus besucht ,dem empfehle ich die Anfahrt mitten durch den Gargano. Über eine schmale Landstraße geht es recht einsam durch den Foresta Umbra, den umbrischen Wald. Zurück sollte man dann die Küstenstraße nehmen. Allein schon die kurvige Abfahrt von Monte Sant´Angelo nach Mattinata beschert reichlich grandiose Ausblicke.
So ganz fängt das Foto den Flair des Foresta Umbra nicht ein, denn steckt man erst einmal ganz tief in dem riesigen Waldgebiet (über 5.000 Hektar) drin, ist vor lauter hohen Bäumen und wildwuchernden Büschen kein blauer Himmel mehr zu sehen. Was im Sommer dazu führt, dass es herrlich frisch unter den Baumwipfeln ist. Zahlreiche Wanderwege durchziehen das Gebiet. Wer wie ich einfach eine Runde durch den beeindruckenden Ur-Wald spazieren gehen und nicht wandern möchte, begibt sich zum Besucherzentrum (Centro visitatori), das knapp 25 km von Vieste entfernt liegt. Rund um das Zentrum liegt ein See, ein kleines Museum und ein Netz aus Wegen, auf denen man die Flora und Fauna des Waldes erkunden kann.
Trabucchi, das sind Holzplattformen auf Stelzen, die seit dem 14. Jhd. an der Adriaküste zum Fischfang eingesetzt werden. Einige dieser Konstruktionen sind auch an der felsigen Küste des Gargano zu finden.
Trabucco di San Lorenzo - Küstenstraße kurz vor Vieste am Lido di San Lorenzo
Die Holzkonstruktion ist erst im Jahr 2018 wieder in Schuss gesetzt worden. Sollte gerade keine Vorführung stattfinden, lohnt sich ein Halt alleine wegen des Ausblicks.
Il Trabucco di Manaccora - Restaurant bei Peschici
Il Trabucco ist ein kleines Restaurant in traumhafter Lage. Es ist an ein hölzernes Trabucco angebaut worden und bietet zum Sonnenuntergang traumhafte Ausblicke aufs Meer. Anfahrt und Menü entnehmt bitte der Homepage.
www.iltrabuccoristorante.it
Apulien - Vier Ausflüge durch den italienischen Süden
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"Mein" Styleguide Rom für den NATIONAL GEOGRAPHIC!
Monatelang war ich für dieses tolle Projekt kreuz und quer in Rom unterwegs. Ständig auf der Suche nach den tollsten, coolsten, hippsten, sehenswertesten und einzigartigsten Locations. (Meine Erlebnisse mit den kapriziösen Römern während der Recherchearbeiten müsste ich eigentlich in einem separaten Buch verarbeiten...) Gefunden habe ich knapp 150 Restaurants, Cafés, Museen, Designer, Manufakturen, Bars, Hotels und tolle Interview-Partner, die Einblicke in ihr römisches Leben gewähren. So wie Cristian, Barista in einem der ältesten römischen Cafés. Oder die wunderbare Signora Luisa Longa. Künstlerin und Besitzerin eines traumhaften B&B in Trastevere.
Liebe Rom-Freunde, für alle diejenigen, die das schönste Chaos in Italien aus der Nähe kennenlernen möchten und auf der Suche nach ein paar Tipps, Anregungen und Inspirationen für den nächsten Rom-Trip sind, gibt es jetzt den "Fettnäpfchenführer Rom". Darin können Sie blättern, lesen und vor allem noch tiefer in den aufregenden römischen Alltag eintauchen. Ich wünsche Ihnen genauso viel Spaß beim Lesen wie ich ihn beim Schreiben hatte! Wer vorab einen Blick in das Inhaltsverzeichnis werfen möchte kann dies hier tun.