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Mit dem Zug nach Rom

13 Stunden - so lange dauert ungefähr die Fahrt mit dem ÖBB Nightjet von München nach Rom - wenn alles nach Plan läuft. Genauer gesagt waren es für mich 18 Stunden Zugfahrt, da meine Reise in Koblenz gestartet ist. Von meinen Erlebnissen und Erfahrungen, die ich auf der Hin- und Rückfahrt mit der österreichischen Bahn nach Italien gesammelt habe, werde ich euch hier berichten. So viel schon vorab: Auf beiden Fahrten lief nicht alles nach Plan. Ein besonderes Erlebnis war die Zugreise durch drei Länder aber trotzdem!

Meine REise mit dem ÖBB Nightjet in die Ewige Stadt

Schon lange hatte ich die Reise in meine ehemalige Heimatstadt Rom geplant. Schon lange stand für mich fest, dass ich nicht mit dem Flugzeug sondern mit dem Zug nach Italien reisen würde. Neben meiner Flugangst spielte auch die romantische Vorstellung einer nächtlichen Zugfahrt bei dieser Entscheidung eine Rolle. Außerdem wollte ich ganze zwei Wochen in Rom und Neapel verbringen. Da erschien mir die Anreisedauer von 13 Stunden einigermaßen verhältnismäßig. Meine Orientexpress-Romantik habe ich mir nicht nehmen lassen und auf Erfahrungsberichte anderer Reisender im Vorfeld verzichtet. Stattdessen habe ich mich ausführlich mit der ÖBB Nightjet Homepage beschäftigt. 

SOLO-Trip mit dem Zug Nach Rom

Der ÖBB Nightjet bietet diverse Reise-Möglichkeiten. Mit (ab) 39 Euro ist ein Platz im Sitzwagen gemeinsam mit bis zu 6 Personen das günstigste  Angebot. Als Alleinreisende fand ich die Vorstellung eine Nacht mit 6 Fremden auf engsten Raum zu verbringen nicht gerade ansprechend. Im Liegewagen wurde mir ein Platz mit vier oder sechs Personen in einem Damenabteil für ab 69 Euro  angeboten. Als dritte Variante und offensichtlich komfortabelste Lösung gibt es den Schlafwagen, in dem bis zu drei Reisende übernachten können.  Ein Platz darin wurde mir an meinem Wunschtermin im November für (ab) 179 Euro angeboten. Alle drei Kategorien sind - wenn man frühzeitig bucht -  auch als Privatabteil buchbar. Genau darauf entfiel am Ende meine Wahl. Meine Lust auf der Zugreise andere Italien-Liebhaber sehr nahe kennenzulernen war nicht ganz so groß wie mein Bedürfnis nach Privatspähre und einer hoffentlich ruhigen Nacht. Der Luxus eines Einzelabteils in einem Schlafwagen hat mich jeweils für die Hin- und Rückfahrt 225 Euro gekostet - Frühstück, Bettzeug und eine Waschgelegenheit im Abteil inklusive.

 

An einem Sonntagabend im November  war es dann endlich so weit. Voll bepackt für meinen zweiwöchigen Trip stand ich am Gleis im München, als der dunkelblaue Nightjet der ÖBB einrollte. Ich wusste, dass die neue Generation an Nachtzügen der  österreichischen Bahn erst 2024 in Betrieb gehen sollten, daher überraschte mich der Retro-Charme des Zuges ersteinmal nicht. Verblüfft war ich erst beim Anblick meines Abteils.

Mein Privatabteil im Schlafwagen im ÖBB Nightjet in Richtung Rom
Mein Privatabteil im Schlafwagen im ÖBB Nightjet in Richtung Rom
Die ÖBB Survival Bag mit Piccolo
Die ÖBB Survival Bag mit Piccolo

Sehr klein, nicht wirklich fein, dafür aber sauber. So lässt sich mein vermeintliches Luxusabteil beschreiben, in dem mich neben akutem Platzmangel zwei Dinge erwarteten. Eine Tüte mit Ohrstöpseln, Hausschuhen, Schlafmaske, Handtuch und Piccolo sowie die Frühstückbestellung für den nächsten Morgen. Noch bevor ich den unterkühlten 80er Jahre Charme meines Abteils wirklich verkraftet hatte, stand auch schon die resolute Zugbegleiterin der ÖBB vor meiner Tür. Noch bevor sie beabsichtigte mein Ticket zu kontrollieren, drängte sie auf das Ausfüllen der Frühstückskarte. Also wählte ich ersteinmal meine 6 Frühstückskomponenten aus, die im Reisepreis inbegriffen waren. Ich kam nicht wirklich schnell vorwärts. Das Nachbarabteil beherbergte einen jungen Amerikaner, der sich als Ingenieur intensiv mit der Frage beschäftigte, wie aus der Sitzbank ein Bett werden würde. Er hatte die letzten 5 Stunden in einem Münchener Brauhaus verbracht und war dementsprechend redselig. Im Sekundentakt wurde mir mitgeteilt welche Fortschritte sein Bettenbau machte. Meine anderen direkten Nachbarn waren zwei junge Japaner, die sofort in die ÖBB Hausschuhe aus dem ÖBB Survivalpack geschlüpft waren und mit ihren Kulturbeuteln bereits in Richtung WC mit Dusche schlappten.

Frühstücks-Karte im ÖBB Nightjet
Frühstücks-Karte im ÖBB Nightjet

Nachdem meine Frühstückskarte eingesammelt und mein Ticket kontrolliert worden war,  inspizierte ich meine Waschgelegenheit im Abteil. Was nicht so einfach war. Ich hatte mein Reisepäck mit reichlich Kraftaufwand zwischen Tisch und Abteilwand geklemmt, in der sich ein kleiner Schrank befand. Wie vermutet befand sich dahinter ein winziges Waschbecken inklusive Minispiegel. Bei der Vorstellung wie ich mich am nächsten Morgen in dieser Puppenstube  frischmachen würde, überfiel mich der  erste aber nicht letzte Lachanfall auf dieser Reise. Meine Orient-Express Vorstellung lag  so herrlich absurd weit entfernt von der nüchternen Realtität. Als der Nightjet dann um 20:09 pünktlich den Münchener Hauptbahnhof verließ, nippte ich amüsiert und desillusioniert an meinem rosafarbenen Sekt. Aus einem der Nebenabteile war zwischenzeitlich die Hiobs-Botschaft zu mir gedrungen, dass das WC mit Dusche in unserem Wagen defekt sei und wir uns alle eine Toilette mit dem benachbarten Sitzwagenwagon teilen müssten. Das könnte eine größerers Reiseabenteuer werden, als ich mir erhofft hatte.

Waschgelegenheit im Privatabteil im ÖBB Nightjet Schlafwagen.
Waschgelegenheit im Privatabteil im ÖBB Nightjet Schlafwagen.

Rattenrd und Ruckelnd durch die Nacht

Kurz vor 21.30 Uhr erschien die Zugbegleiterin in meinem Abteil, um in einem rasanten Tempo mein Bett zu machen. Wie sie das Kunsstück zustande gebracht hatte, dass der Tisch verschwand und die Sitze zu einem Bett wurden, bekam ich nicht mit, da ich mitsamt meiner Habseligkeiten aus dem Abteil komplementiert wurde.  Mit einem Blick auf die leere Piccoloflasche fragte die zupackende Dame, ob sie mir denn noch etwas Gutes tun könnte, einen Wein zum Beispiel. Da der Zug sich seit unserer Abfahrt in Müchen  übertrieben schaukelnd fortbewegte und mir eine ratternde Nacht bevorstand, ließ ich mir etwas Gutes tun. Ich wollte die Wahrscheinlichkeit  erhöhen, vielleicht irgendwann einzuschlafen. Während Getränke bei der Zugbegleiterin erhältlich waren, sah es bezüglich eines Snacks schlecht aus. Es gab weder einen Restaurantwagen noch einen Bar-Bereich. Alle Getränke kamen aus dem winzigkleinen Abteil der Zugbegleiterin.

 

Nachdem mir die Zugbegleiterin  einen österreichischer Weißwein gebracht hatte, wurde ich noch in das Mysterium eingeweiht, wie ein Abteil von Innen zu schließen und von außen zu öffnen war. Als Alleinreisende fand ich das doppelte Schloss von Innen sehr beruhigend. Die antikanmutende Lochkarte aus Hartplastik, die ich allerdings mit Gewalt von außen in einen Schlitz drücken musste, um die Türe nach einem Toilettengang wieder zu öffnen, bereitete mir Sorgen. Was, wenn ich heute Nacht die Tür nicht mehr aufbekommen würde? Ich entschied mich vorerst, jegliche Flüssigkeitsaufnahme einzustellen.

 

Gegen 23.30 fand ich, dass es Zeit zu schlafen und für einen Besuch der Toilette war. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden nicht bestätigt. Das WC samt relativ großer Dusche war geräumig, sauber und ohne Schlange vor der Türe. Die meisten Mitreisenden hatten ihre Abteiltüren bereits geschlossen. Als ich mich dann in die ÖBB Schlafdecke einkuschelte, wusste ich, warum Ohrstöpsel zum ÖBB Survival Pack  gehörten. Das Rattern des Zuges war im Liegen aus unerfindlichen Gründen noch lauter als im Sitzen. Ich setzte mir Kopfhörer auf und ließ Musik laufen. Die Geräuschkulisse war deutlich angenehmer, allerdings ließ mich das ständige Schaukeln des Zuges keinen festen Schlaf finden. Immer wieder wurde ich wach, hörte wie der Zug durch Tunnel raste oder behäbig ratternd von links nach rechts schaukelte.  Ich fügte mich in mein Schicksal und freute mich einfach auf den nächsten Tag und die Einfahrt in Rom. Bevor ich vergesse es zu erwähnen: Es gab kein WLAN im Zug und der Empfang unterwegs war eher Glückssache.

BenvenutA in Italia

München-Ost, Salzburg, Schwarzach-St. Veit, Villach, Tarvisio Boscoverde, Bologna Centrale - das waren die Stationen, die der Nightjet bereits passiert hatte, als ich am nächsten Morgen um 6.00 in meiner Puppenstube stand und mich frisch machte. Ich wollte die Einfahrt in Florenz um 7.19 Uhr und vor allen Dingen das Frühstück nicht verpassen. Mir schwebte vor Augen wie ich ganz allein in meinem Abteil saß, einen herrlich heißen Kaffee trank, in eine knackige Semmel biss und dabei die toskanische Landschaft an meinem Zugfenster vorbeizog.

Umsteigen Im FLug

Florenz! Endlich! Gespannt saß ich parat gemacht an meinem Fenster und wartete auf die Abfahrt gen Rom. Nachdem sich eine ganze Weile nichts tat, wagte ich einen Blick auf den Flur. Viele der übrigen Abteile waren noch geschlossen. Der Blick aus dem gegenüberliegenden Fenster auf die Bahnsteiganzeige verriet, dass wir 20 Minuten Verspätung hatten. Aus 20 wurden dann 40 dann 60 und schließlich 90 Minuten. Irgendwann kam dann das Frühstück. Eine Information woher die Verspätung stammte, kam allerdings nicht. Statt am Fenster vorbeifliegender Hügellandschaften blickte ich also in das leere Abteil eines Zuges, der direkt neben uns stand. Dafür war der Kaffee wie erträumt herrlich heiß. Allerdings war die Semmel von Innen noch leicht tiefgekühlt.

Frühstück im ÖBB Nightjet
Frühstück im ÖBB Nightjet

So richtig wollte mir das Frühstück nicht schmecken. Als Vielnutzerin der Deutschen Bahn schwante mir Übles. Hier stimmte irgendetwas mit dem Zug nicht.  Als ich dann nochmal auf den Flur ging und auf den Bahnsteig zwei Reisende mit vollem Gepäck sah, die gestern mit mir am Gleis in München gewartet hatten, wurde ich stutzig. Wenn Florenz ihr Ziel gewesen wäre, hätten sie schon vor 90 Minuten austeigen können. Und dann ging alles ganz schnell. Die resolute ÖBB-Schaffnerin kam im Schlepptau mit drei Mitarbeitern der italienischen Bahn durch den Zug und verteilte unsere Zugtickets zurück. Unbekümmert kommentierte sie das Ganze mit dem Hinweis, dass der Zug defekt sei und wir jetzt alle mit Trenitalia nach Rom weiterreisen würden. Gleichzeitig erklärten die Trenitalia Mitarbeiter, das der Zug bereits in 10 Minuten eintreffen würde.


Keine Ahnung wie ich im Eiltempo alles zusammengepackt (und dabei nur einen Romreiseführer und ein Ladekabel vergessen habe) und mit meinem viel zu schweren Gepäck aus dem Zug gestürtzt bin. Kaum war ich draußen rollte auch auch schon ein Frecce rossa, ein italienischer Schnellzug ein. Die Trenitalia-Mitarbeiter waren gut organisiert und gaben allen, die es geschafft hatten noch rechtzeitig aus dem Zug zukommen bescheid, in welchen Wagons noch Sitzplätze frei waren. So hatte ich trotz meines vielen Gepäcks keinerlei Probleme einen freien Platz zu bekommen.

Der Rest des Weges nach Rom lief wie geschmiert. Ohne weiteren Halt sauste der Zug durch die toskanische Landschaft gen Hauptstadt. Die Internet-Verbindung war ein Traum. Der italienische Schaffner war informiert und kontrollierte erst garnicht unsere Fahrscheine. Völlig unerwartet kam ich dann tatsächlich pünktlich in 10.30 in meiner Ex-Heimatstadt Rom an.

Meine Erlebnisse in Rom und Neapel zwischen den beiden Zugfahrten werdet ihr bald auf dem Blog nachlesen können. Jetzt kommen wir ersteinmal zur Rückfahrt nach Deutschland.

Rom im November. Der Blick von der Engelsburg auf den Petersdom
Rom im November. Der Blick von der Engelsburg auf den Petersdom
Neapel im November. Traumwetter am Castel dell`ovo.
Neapel im November. Traumwetter am Castel dell`ovo.

Mit dem Zug von Rom nach München

Am 26. November, knapp 2 Wochen nach meiner Ankunft in Italien, sollte es wieder zurück nach Deutschland gehen. Voll gepackt mit italienischen Impressionen und schweren Koffern stand ich eine Stunde vor Abfahrt am Bahnhof Termini. Ich fahre sehr gerne Zug in Italien. Die Tatsache, dass das Gleis, an dem der Zug abfährt, oft erst kurz vor Abfahrt auf einer Anzeigetafel erscheint, strapaziert jedoch immer wieder meine Nerven. Und so schaute ich auch dieses Mal gebannt auf die blinkende Anzeigetafel, um bloß nicht das Gleis meines ÖBB Nightjets zu verpassen. Als 5 Minuten vor geplanter Abfahrt um 20.09 immer noch kein Gleis angezeigt wurde, ahnte ich, dass auch die Rückfahrt nicht völlig reibungslos laufen würde. Dann wurde die Ahnung zur Gewissheit. Der Zug wurde mit 50 Minuten Verspätung angezeigt. Mittlerweile hatten sich mehrere deutsche Reisende an der Anzeigentafel zusammengefunden. Wie ich erfuhr waren wohl solche Verspätungen und noch längere nicht unüblich. Hätte ich das gewusst, hätte ich meinen Puffer von 90 Minuten Umsteigezeit in München etwas großzügiger geplant. Theoretisch gab es viele Verbindungen nach Koblenz an diesem Montag, auf die ich später hätte ausweichen können. Praktisch fielen an diesem Montag ausgerechnet einige Züge aus oder waren komplett ausgebucht. Als der ÖBB Nightjet dann mit 80 Minuten Verspätung in den römischen Hauptbahnhof einrollte war der Bahnsteig brechend voll.

 

Dieses Mal war mein Bett schon gemacht. Außerdem gab es eine offiziele Getränke- und Speisekarte, von der ich mir eine kleine Flasche Weißwein bestellte. Nach meinem Schlaftrunk ging es für mich direkt ins Bett. Ich wollte für den nächsten Tag fit sein. Ich sah mich schon tausendmal umsteigen und auf deutschen Bahnsteigen frieren. Während ich in Rom am Mittag im jüdischen Viertel noch draußen frittierte Artischocken und eine vegetarische Carbonara bei frühlingshaften Temperaturen gegessen hatte, sollte es am nächsten Tag in Deutschland Minusgrade geben.

 

Am nächsten Morgen war die Nacht für mich um 5.30 zu Ende. Nachdem ich das Rollo in meinem Abteil geöffnet hatte, wollte ich auch einfach nicht mehr schlafen. Ich war in einem Winterwunderland aufgewacht. Die felsigen Spitzen von hohen Bergen ragten aus einer Schneelandschaft heraus, die wie im Bilderbuch an meinem Fenster vorbeizogen. Der Zug kam nur langsam voran. in diesem Augenblick war jede Verspätung völlig gleichgültig. Die Aussichten, die ich aus meinem Bett genießen durfte, machten jegliche Unbequemlichkeit dieser Zugreise wieder wett.

Nach der Einfahrt in Schwarzach-St. Veit hatten wir 90 Minuten Verspätung und ich hatte meinen Anschlußzug gedanklich schon aufgegeben. Ich machte mich und mein Gepäck in Ruhe fertig ohne dabei das Fenster und die sensationell schöne Schneelandschaft aus dem Auge zu lassen.

Nach dem Halt in Salzburg gab es Frühstück und Hoffnung. Die Schaffnerin hatte nicht nur heißen Kaffee sondern auch gute Nachrichten dabei. Wir sollten München nur mit 20 Minuten Verspätung erreichen.

Am Ende war die Verspätung natürlich viel größer. Ich musste samt Gepäck über den Münchener Bahnhof sprinten, um meinen Anschlusszug noch zu bekommen. Aber egal, völlig egal. Diese zwei wunderbaren Wochen in Rom und Neapel waren perfekt. Und die Zugfahrt mit dem ÖBB Nightjet war ein echtes Erlebnis, weit entfernt von meiner Orientexpress-Fantasien, aber mit skurrilen Momenten, die ich nie vergessen werde.  Wichtig für mich als Alleinreisende war auch, dass ich mich in jedem Moment sicher gefühlt habe. Es ist bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich mit einem Zug ratternd und zuckelnd durch die Nacht gefahren bin.