Selfie-ismus als Kunst?!

Ein einfaches Unterfangen scheint die Selbstfotografie zumindest nicht zu sein, wenn ich bedenke in welch anstrengende Posen manch Tourist sich wirft, um am Ende sich und eine römische Sehenswürdigkeit für die Ewigkeit (oder bis zum nächsten Selfie) festzuhalten. Unlängst saß ich auf der Bank vor der französischen Botschaft an der Piazza Farnese und durfte Augenzeuge eines herrlichen Schauspiels werden. Eine junge Dame hatte sich mitten auf den Platz postiert, ihr Handy in eine dieser momentan  superhippen Selfie-Teleskop-Stangen geklemmt, und versuchte sich offenbar im Perfektionismus der fotografischen Selbstdarstellung. Nicht anders ist es zu erklären, dass dieser Akt 20 Minuten andauerte. Selbstvergessen fotografierte die Dame sich vor sich hin. Mittlerweile zur Unterhaltung des gesamten Platzes inkl. der italienischen Militärangehörigen, die dem Schutz der französischen Botschaft dienen. 

Ich schwankte ein wenig. Zwischen Fremdschämen für soviel  öffentlich zur Schau gestellten Narzissmus, und tiefer Bewunderung für solch ein selbstvergessenes Selbstbewusstsein. Wer sich 20 Minuten so intensiv mit seinem eigenen Abbild beschäftigen kann, muss sich einfach selbst mögen. Wie man zwischen den Zeilen herauslesen mag, bin ich kein wirklicher Fan dieser Selfie-Teleskop-Stangen.  Nach eingehenden Gesprächen mit Stangen-Besitzern aus meinem Umfeld und ein wenig Reflexion, tendiere ich jedoch stark zu einer Meinungsrevision. Vielleicht ist das Fotografieren mit dieser Apparatur gar kein sonderlich narzistischer Akt, sondern der Ausdruck eines gesunden Verhältnisses zum eigenen Ich. Zudem erweitert die Teleskopstange den Winkel. So passt mehr oder mehrere aufs Bild. Die Schlussfolgerung kann also nur lauten: diese Selfie-Teleskop-Stangen sind das ideale Handwerkszeug für die Altruisten unter den Selfie-isten. Und handelt es sich am Ende bei diesem ganzen Selfie-ismus gar um eine Kunstform??? Das GNAM (Galleria Nationale d`arte mordena) in Rom zumindest hat einen Selfie-Wettbewerb gestartet. Im Museum soll man sich und ein Kunstwerk fotografisch in Szene setzen. Das Bild mit den meisten "Likes" (ich glaube ich bin zu alt für sowas...) bringt dann ein Galaxy S5 mini als Trophäe ein. Der Wettbewerb läuft übrigens noch bis zum 5. Januar. Ich habe einen Selbstversuch mit der eigenen heimischen Kunst gestartet. Und was soll ich sagen: Selfie-ismus tut gar nicht weh...

Sollten Sie also in der nächsten Zeit in Rom weilen, tun Sie doch einfach was für ein gutes Verhältnis zu sich selbst, erwerben Sie unterwegs eine Selfie-Stange (ohne Verhandlungsgeschick 15,-EUR) und besuchen das GNAM. Haben Sie sich lieb! In diesem Sinne viel Spaß in der Ewigen Stadt!