Rom und ich in der Krise.....

Seit drei Tagen plagt mich eine diffuse Grippe. Sie steckt stündlich in einem anderen Knochen und zwingt mich zu Indoor-Aktivitäten. Da in unserer Wohnanlage zwischen 8 und 13 Uhr die Heizung abgestellt wird ein (anderes Thema!), die Fenster nur 1-fach-verglast sind und eine Isolierung komplett fehlt, sitze ich leicht fröstelnd in eine giftgrüne Ikea Fleecedecke gehüllt auf dem Sofa und schaue die Sendung UNO MATTINA.

Das Frühstücksfernsehen von RAI 1. Die italienische Version von Anne Geesthusen heißt Elisa und hat im Jahr 2000 bei der Miss Italia Wahl den Titel Miss Cinema gewonnen. Eine in den hiesigen Medien seltene Naturschönheit: Brünett, langbeinig, rehbraune Augen, mit denen sie hinreissend betroffen dreinblicken kann. So hinreissend, dass der Kameramann nicht umhin kann, diesen Hundeblick ständig im Close zu zeigen. Ihr zur Seite sitzt Duilio. Smart, wortgewand, betoniertes Haar mit akuratem Seitenscheitel, so um die 50 Jahre alt.

Das Thema der nächsten halben Stunde lautet: Salva(te) Roma! (Rette(t) Rom). Roms Schulden sind unfassbar hoch und die Stadt hat im Vergleich zu den Ausgaben kaum Einnahmen. SALVA ROMA heißt ein Dekret, in dem Italien seiner Hauptstadt eine Sonderzahlung in Höhe von ca. 900 Miollionen EUR !!! gewährt, um den Haushalt für 2013 und 2014 zu sichern. Zumindest ist der Bürgermeister Roms, Sig. Marino, bis gestern von dieser Zahlung ausgegangen. Gestern wurde das Dekret im italienischen Parlament  von der Lega Nord (Partei, die für die Unabhängigkeit Norditaliens kämpft) und M5S (Cinque Stelle, Anti-Partei von Grillo) heftig attackiert. Andere klamme Städte in Italien bekämen auch keine Zuschüsse. Rom müsse lernen mit seinen Ressouren zu haushalten. Ein Abgeordnerter der Lega Nord hatte einen sehr reizenden Vorschlag zur Lösung der Situation: Rom bräuchte einen kommissarischen Verwalter. Die ideale Besetzung wäre Nero. Nur zur Erinnerung: Nero wird nachgesagt im Jahre 64 n. Chr. für den verheerenden Brand in Rom verantwortlich gewesen zu sein. Er selbst soll singend und frohlockend dem feurigen Schauspiel vom Celio aus beigewohnt haben.

Der niegelnagelneuen Ministerpräsident Renzi sah keinen anderen Weg als das Dekret voerst zurückzuziehen. Worauf Bürgermeister Marino in einem wortgewaltigen Radiointerview (über)reagierte und eine sagenhafte Drohkolisse aufbaute:

* Am Sonntag würde er Rom blockieren und für den Autoverkehr sperren, sollte nicht schnellstens über das Dekret beschlossen werden

* ohne Zahlungen wäre ab März kein Geld mehr für die Angestellten der Kommune vorhanden d.h. kein Bus, kein Kindergarten, keine Müllabfuhr, keine Kohle für die Organisation der Heiligsprechung von Johannes Paul, geschlossene Museen, keine Straßenbeleuchtung mehr, keine Heizung in öffentlichen Büros....

* Ab sofort sollten die 400-500 Streiks, die jährlich Rom lahmlegen und Stadtgeld verschlingen, auf norditalienische Städte verteilt werden.

* Das Dekret "Rette Rom" sollte eigentlich "Ehre Rom" genannt werden

In dieser polemisch aufgeheizten Stimmung ließen nun die schöne Elisa und der smarte Duilio, die Vertreter verschiedener Parteien aufeinander los und ich versank ob der Masse niederdrückender Informationen über die Situation Roms immer tiefer in meine grüne Decke. Ich sah mich schon auf wundgelaufenen Füssen im Dunkeln, zwischen riesigen Müllbergen, durch Rom  ziehen. Im strömenden Regen. Denn zwischenzeitlich hatte die Wetterfee, ein Herr in der Uniform der italienischen Luftwaffe, das Wochenendwetter verkündet. Wie ich erfahren durfte, war ich gerade Teilnehmer am nassesten Winter Italiens seit 1899. Das war der Moment in dem ich mich mit Rom solidarisch erklärte: Wir beide befinden uns in der Krise......