Roggenbrötchen-Visionen

Heimweh nach Deutschland in kulinarischer Hinsicht hat mich bis dato noch nicht befallen. Zugegeben, hin und wieder habe ich Visionen von Roggenbrötchen, dick bestrichen mit Leberwurst. Aber die Märkte und Supermärkte in Rom bieten ausreichend Auswahl, um solche Gelüste anderweitig zu befriedigen. Bis auf Obst und Gemüse sind  Lebensmittel hier teurer. Wenn man die Kampfpreise des deutschen Lebensmittelhandels gewöhnt ist, muss man Anfangs an römischen Supermarktkassen schlucken. Gerade der Preis der Milchprodukte beträgt oft das Doppelte oder das  Dreifache der deutschen Preise. Spülmaschinentabs sind Luxusgüter. Ich hatte bereits überlegt Spülmaschinentabs aus Deutschland zu importieren und diese dann auf der Straße vor der Engelsburg zwischen Prada-Handtaschen und Gucchi-Sonnenbrillen zu verkaufen.  Würde ich dann auch noch 4-lagiges Toilettenpapier in das Angebot aufnehmen, könnte sich diese Geschäftsidee wirklich rentieren.

Wie dem auch sei, bisher gab es keine wirkliche  Veranlassung einen deutschen Discounter, der in Rom mit einigen Filialen vertreten ist, zu besuchen. Ganz an LIDL kam ich trotzdem nicht vorbei. Die Brotbackmischung ist quasi eine Legende, und taucht in vielen Gesprächen von „Deutschrömern“ auf. Ich habe Italienerinnen gesehen, die ob der Aussicht auf ein kabelloses Bügeleisen für 19,99 EUR in Ekstase gerieten. Wie bereits erwähnt: all das hat mich bisher kalt gelassen. Aber als plötzlich Gerüchte um eine neue Filiale MIT BACKSHOP auftauchten, häuften sich meine Roggenbrötchenvisionen und mein Sohn vermisste, von einer Sekunde auf die andere, Brezeln. Also machten wir am heutigen Sonntag einen Familienausflug zum LIDL. Allein der Anblick des großräumigen Parkplatzes ließ alberne heimatliche Gefühle aufkommen. Grosszügig ging es auch drinnen weiter. Lange breite Gänge. Kein Gedrängel, wie in den anderen Supermärkten üblich. Der BACKSHOP befindet sich direkt im Eingangsbereich. Vor den Vitrinen mit Backgut herrschte ungefähr die gleiche andächtige Stimmung wie vor dem Schaufenster von Gucci.  Mit staunenden Blicken wurden die Brötchen mit Körnertopping begutachtet. Ich hörte ein anerkennendes Flüstern neben mir: „Die sollen besonders gut sein.“ Ich suchte währenddessen verzweifelt meine Roggenbrötchen. Leider vergeblich. Es wurden dann die Gucci-Brötchen mit Körnertopping. Zumindest mein Sohn konnte noch eine der letzten Brezeln ergattern. Den Meisten war deutlich anzusehen, dass sie noch nicht oft bei LIDL zu Besuch waren. Fast schon misstrauisch wurden die Angebote beäugt und auf ihre Qualität überprüft. In Bezug auf Lebensmittel sind Italiener anspruchsvoll und kritisch. Essen ist ein wichtiges Thema. Ob beim Friseur oderim Zeitschriftenladen. Die Gespräche drehen sich ganz häufig um die vergangene und zukünftige Nahrungsaufnahme. Wobei ich ja in Anbetracht der hauptsächlich ranken Figuren vermute, dass zumindest die meisten Frauen nur vom Essen reden.  Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zum italienischen LIDL, der im Grunde genommen das gleiche Sortiment führt, wie alle anderen Supermärkte hier auch, nur bei weitem günstiger und um einige Artikel aus der Heimat ergänzt. Sowohl die gute Deutsche Butter als auch die Rostbratwürstchen haben es nicht in meinen Einkaufswagen geschafft. Schwach geworden bin ich allerdings beim Linessa Multivitaminsaft und den Spülmaschinentabs, die hier zum Spotpreis erhältlich sind. Und obwohl ich es LIDL ein wenig übel nehme, dass sie meine Idee mit dem Spulmaschinentabs-Import geklaut haben, werde ich irgendwann wiederkommen. Wegen der breiten Parkplätze und um nach 4-lagigem Toilettenpapier Ausschau zu halten. Das hatte ich nämlich vollkommen vergessen.